Volksbegehren „Artenvielfalt“ - brauchen wir das überhaupt?
Bayern - 54 Prozent aller Wildbienen sind bedroht oder bereits ausgestorben, 73 Prozent aller Tagfalter sind verschwunden und über 75 Prozent aller Fluginsekten sind nicht mehr da. In Bayern leben nur noch halb so viele Vögel wie vor 30 Jahren. Was bedeutet das für die Menschheit?
Ungeziefer, Stechmücken, Schädlinge, Lästlinge. Überträger von Krankheiten und Schmarotzer. Vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn es ein paar weniger davon gibt, oder? Ist es doch. Der Evolutionsbiologe Christian Wirkner von der Universität Rostock erklärt, warum uns das Insektensterben nicht egal sein darf.
Wofür brauchen wir Insekten?
Es ist typisch für uns Menschen, unsere Mitgeschöpfe nach unserer subjektiven Einschätzung zu bewerten und vielfach abzuwerten. Denken Sie nur einmal an das Stichwort „Spinnen“ . Tatsache ist auch, dass die Situation sehr, sehr komplex ist und es keine einfachen Antworten gibt. Natürlich gibt es nicht nur „Schädlinge“ sondern unzählige nützliche, hilfreiche und zum Teil für den Menschen unersetzliche Arten. Wir Biologen sprechen neben der Artenvielfalt auch über die genetische Vielfalt, die Biotop-Vielfalt, die Vielfalt der Beziehungen und Abhängigkeiten. Was die Artenvielfalt betrifft: In Deutschland leben derzeit geschätzt 48.000 Tierarten, davon nur 104 Säugetierarten, 328 Vogelarten, aber 33.000 Insektenarten, davon über 300 Wildbienenarten, rund 9500 Pflanzenarten und um die 14.000 Pilzarten. Dabei ist schon jede Zelle, der kleinste Baustein eines Lebewesens, ist so komplex wie eine Megacity, zum Beispiel New York. Jedes Individuum besteht aus mindestens einer bis hin zu mehreren Millionen von Zellen. Jede Art hat Tausende bis Milliarden Individuen. Keines lebt nur für sich allein, alle Individuen sind miteinander versnetzt, auch über die verschiedenen Lebensräume hinweg. Die Menschheit ist nur ein Bestandteil dieses Systems, unlösbar eingewoben, darauf angewiesen, dass es funktioniert.
Was bedeutete das nun konkret?
Stellen wir uns ein hochkomplexes Gerät wie einen Computer vor. Natürlich gib es Teile, die ich bedenkenlos abmontieren kann wie das Typenschild, die Verkleidung undsoweiter. Wenn ich aber „ans Eigemachte“ gehe und anfange, an der Hauptplatine zu manipulieren, geht sehr schnell gar nichts mehr! Blackout, aus, bum… . So betrachtet hat sich unsere Natur bisher als außerordentlich stabil erwiesen, wenn man die oben genannten Zahlen betrachtet. Aber jeder vernünftige Mensch kann sich vorstellen, dass es irgendwann den „Point of no return“ gibt. Die Menschheit fährt auf die Niagarafälle zu und nähert sich dem Punkt, wo es nur noch nach unten geht. Niemand kennt diesen Punkt, aber es ist höchste Zeit, das Ruder herum zu reißen.
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