Maria Knissel – Drei Worte auf einmal, Societätsverlag
Chris ist 13 Jahre alt, als sein großes Vorbild, der sieben Jahre ältere Bruder Klaus, mit dem Motorrad verunglückt und als Pflegefall, geistig und körperlich behindert, nach Hause zurückkehrt. Die Mutter arbeitet sich auf in der Pflege, der Vater wird sprachlos angesichts des Schicksalsschlages und Chris vereinsamt inmitten dieser gemeinsamen Herausforderung. Er rutscht ab, klaut, trinkt, wird aus der Schule geworfen, fängt sich, schließt eine Ausbildung ab und findet endlich seinen Halt in der Musik, mit seinem heißgeliebten Saxophon. Er ist es auch, der die eigentlichen Bedürfnisse des behinderten Bruders erkennt und den Menschen, nicht nur den „Pflegefall“ sieht.
Ein unglaublich berührendes Buch, das man nicht mehr aus der Hand legen kann. Ganz unspektakulär beschreibt es den Alltag mit dem behinderten Bruder, die kleinen Fortschritte, die Verantwortung, die der „kleine“ Bruder übernehmen muss. Dazu ist es ein Stück Zeitgeschichte über rund 30 Jahre, die mit der Entführung Martin Schleyers beginnt. Auch beleuchtet es anschaulich die Veränderung in der Gesellschaft im Umgang mit behinderten Menschen und die Fortschritte in der Therapie.
Es ist nicht nur das einzige Buch, das aus der Sicht des Geschwisterkindes eines Behinderten berichtet, es sind die ganz realen Erlebnisse des Saxofonisten Stephan Völker, Absolvent der European Jazz Academy, der unter anderem mit Albert Mangelsdorff gespielt und Größen wie Ute Lemper und Udo Jürgens begleitet hat.
Maria Knissel hat diese Lebensgeschichte bewusst als Roman angelegt, schnörkellos und mitreißend geschrieben. Die zeitgeschichtlichen Daten stimmen jedoch mit der Wirklichkeit exakt überein wie auch die Dialoge der Familie.
Diesem Buch wünsche ich von Herzen viele begeisterte Leser. Gerade wer vielleicht angesichts der Thematik eher zögert – es lohnt sich! Denn dieses Buch bereichert und bewegt. Eine Entdeckung!
Barbara Nürnberg
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