Der Staat schützt die Schwachen
Wendelstein - Denn die Starken müssen vor den Schwachen nicht geschützt werden. Doch im Straßenverkehr gilt diese Regel in Deutschland nicht immer. In der Mai-Ausgabe 2020 hatte Klaus Tscharnke von den meier-Alltagsradlern bedauert, dass entlang der Staatsstraße 2225 auf dem Zollhaus-Radweg selbst die einfach herzustellenden und dringend benötigten Sicherheitsmarkierungen für den Radverkehr von den zuständigen Behörden als „überflüssig“ angesehen werden.
Im Vorwort des Radverkehrshandbuches „Radlland Bayern“, unterzeichnet von Innenminister Joachim Herrmann, ist zu lesen: „Radfahren muss zügig, sicher und bequem sein. Das Fahrrad muss adäquat beachtet und als normales Verkehrsmittel akzeptiert werden. Voraussetzung dafür ist eine fahrradfreundliche Infrastruktur ..“.
Allgemein gilt: Kreuzungsverkehr soll auf ein Minimum reduziert werden. Ständiges Anhalten, Auf- und Absteigen soll vermieden werden. Fahrwege und Querungen müssen sicher und deutlich markiert sein. Der Radverkehr muss gleichberechtigt sein.
Drei kleine Beispiele sollen zeigen, dass den schönen Worten noch die Taten folgen müssen.
Fahrende Autos haben im Kreisverkehr Vorfahrt. Die Radfahrer jedoch müssen immer den ein- und ausfahrenden Kfz-Verkehr im Kreisel Vorfahrt gewähren. Das bedeutet für den Radfahrer Anhalten, Absteigen, Aufsteigen, Anfahren, evtl. wieder Anhalten und immer auch auf den Autoverkehr achten – das ist weder zügig, noch sicher oder bequem. Und es fehlen obendrein die Markierungen, die auf den Radverkehr aufmerksam machen.
In den Niederlanden ist das ganz anders. Farblich abgesetzte Radwege, die auch im Kreisverkehr das Vorfahrtsrecht behalten, sind dort die Regel. Die Autofahrer verhalten sich entsprechend aufmerksam und rücksichtsvoll.
Fährt man in Deutschland entlang der Staatsstraße 2225 auf dem Zollhaus-Radweg, so befindet man sich eigentlich auf der vorfahrtsberechtigen Straße. Die Vorfahrtsberechtigung gilt jedoch nur für den motorisierten Verkehr, nicht aber für den Radverkehr. Der muss in tiefer Demut dem Querverkehr den Vortritt lassen. Zügig, sicher und bequem ist auch das nicht. Entsprechende Straßenmarkierungen fehlen natürlich auch, was das Radfahren noch zusätzlich gefährlich macht. In den Niederlanden gilt die Vorfahrtsberechtigung hingegen auch für den Radfahrer und auf dem Straßenbelag finden sich deutliche Markierungen.
In Deutschland muss der „starke“ Autofahrer im Zweifel keine Rücksicht auf den „schwachen“ Radler nehmen, denn im Falle eines Unfalls hätte der „Stärkere“ das Recht zusätzlich auf seiner Seite. Warum also sollte ein Autofahrer gegenüber den schwächeren Verkehrsteilnehmern besonders rücksichtsvoll sein?
Das autozentrierte Deutschland ist zudem ein „Raserland“. Selbst innerorts von Sperberslohe wurden schon Geschwindigkeiten von mehr als 150 km/h gemessen, was die zuständigen Behörden (Landratsamt Roth und Staatliches Bauamt) nur mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen haben. Eine sichere Querungsmöglichkeit für Fußgänger und Radfahrer ist in Sperberslohe natürlich auch nicht vorhanden.
Wegen der „Corona-Krise“ hat der Radverkehr stark zugenommen. Der Boom bei den E-Bikes verstärkt diesen Trend ebenfalls. Die fahrradfreundliche Infrastruktur hinkt diesen Entwicklungen um Lichtjahre hinterher. Selbst preiswerte Maßnahmen werden jedoch als überflüssig angesehen.
Bleibt zu hoffen, dass im Kampf gegen den Klimawandel ein Umdenken stattfindet und der Radverkehr tatsächlich zügig, bequem und sicher gestaltet wird. Vielleicht müssen wir aber auch noch warten, bis die Generation „Fridays for Future“ die heutigen Entscheidungsträger ablöst.
Hartmut Schröder, Sprecher der Bürgerinitiative Sperberslohe
Mehr Informationen unter www.buergerinitiative-sperberslohe.de
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