meier Magazin - Oktober 2021 / 22. Jhg.

Rettet Schwabachs ältesten Sommerkeller! Ein Investor, der aus einer alteingesessenen, angesehenen und wohlhabenden Schwabacher Familie stammt, die bis heute teilweise gastronomisch tätig ist, hat den legendären„Felsen- keller”, Rittersbacher Straße 74, gekauft. Wenn es nach seinemWillen geht, soll anstelle des Traditionslokals eineWohnanlage entstehen, vielleicht sogar Seniorenwohnungen. Imnächs- ten Jahr soll mit dem Abriss und dem Neubau begonnen werden. Sicher, das Gebäude ist dringend renovierungsbedürftig. Höchstwahr- scheinlich hätte der jetzige Eigentümer, der Haus und Grundstück von der Brauerei Weller erwarb, auch das nötige Geld, das Areal denkmalge- recht zu sanieren. Doch offenbar haben unsere Denkmalschützer bislang übersehen, umwelches historische Kleinod es sich bei besagtem„Felsen- keller” handelt. Meines Wissens steht es nicht unter Denkmalschutz. Letztlich findet die Anlage im Schwabacher Stadtlexikon keinerlei Erwäh- nung. Dort wird unter dem Stichwort „Felsenkeller” nur der weiträumi- gen Kelleranlagen im Bereich der Schwabacher Altstadt gedacht, die den zahlreichen Brauereien als Gär- und Lagerkeller dienten. Ich hoffe, dass der folgende Artikel nicht zu einem nostalgischen Nachruf auf ein Stück Alt-Schwabacher Brauerei- undWirtshauskultur verkommt. Vielleicht finden sich ja Heimatfreunde mit innovativen Ideen, die in letzter Minute ein Stück Alt-Schwabachs vor der Spitzhacke retten. An sie richtet sich dieser Aufruf! Warum sollte in der Goldschlägerstadt nicht so etwas möglich sein? Schließlich rettete und sanierte man im benach- barten Barthelmesaurach den dortigen, 1854 errichteten Sommerkeller und erweckte ihn zu neuem Leben. Ich gebe jedenfalls die Hoffnung nicht auf, denn die Hoffnung stirbt zuletzt! Wäre es doch wünschens- wert, wenn besagtes Areal in einem renovierten Zustand in vier Jahren seinen 200. Geburtstag feiern könnte! Der „Felsenkeller”in der Rittersbacher Straße ist ein Stück Alt-Schwabacher Brauereigeschichte. Als er errichtet wurde, zierten die weiß-blauen Rauten, der Pfälzer Löwe und die goldenen Bierschöpfen auf rotem Grund das Schwabacher Stadtwap- pen. Dieses Zunftemblem war seit 1371 Bestandteil der hiesigen Stadt- wappen. Vor rund 200 Jahren war die Zahl der Schwabacher Bierbrauer von 70 auf 45 gesunken, die in acht Gemein- (= Kommun-) und drei Privatbrauhäusern brauten. Ursache des Rückstands war die Auf- hebung des Brauzwangs im König- reich Bayern durch Staatsminister Graf von Montgelas. Nun breiteten sich Braustätten auf den Dörfern rund um Schwabach aus, was vorher auf- grund markgräflicher Privilegien untersagt wurde. Da es bei den dörf- lichen Braustätten meist an entspre- chenden Kelleranlagen unterhalb des Brauhauses mangelte, legte man außerhalb des Dorfes an einem felsi- gen Hang entsprechende Gär- und Lagerkeller an. Dies brachte 1825 den Inhaber des Gasthofs „Zum Roten Ochsen”, Zöllnertorstraße 5, den Bierbrauer Johann Andreas Seyboth, auf die Idee, in das felsige Gelände am Hang östlich des Weiherwiesengrabens, etwa zwei Kilometer von seinem Brauhaus entfernt, einen Keller mit einer Länge von 30 bis 50 Metern zu graben und mit einem Mauerwerk auszukleiden. Diese weitläufige Kelleranlage wird heute nicht mehr genutzt. Sie besteht aus einemVorkeller, der einst eine Pufferzone gegen die wärmere Außenluft war. Von ihm aus gelangte man durch ein Tor und viele Stufen in den tiefer liegenden Hauptkeller. Dort lagerten die Bierfässer. Zur Zirkulation waren Lüftungsöffnungen vorhanden. Über der Kelleranlage wurde das heute noch vorhandene Schankhaus errich- tet, in dem die nicht benötigten Fässer, das Braugeschirr, die Gläser und die Geräte für den Ausschank aufbewahrt wurden. Der Kellereingang war durch Laubbäume abgeschattet. Die Aufgabe der Ahorn-,Eichen-, Linden- und Kastanienbäume war es, den Kellereingang vor direkter Sonneneinstrahlung abzuschirmen und einen Temperatur- anstieg im Keller zu unterbinden. Außerdem boten sie den Gästen reich- lich Schatten. Sie saßen auf roh gezimmerten Bänken, aßen die mitge- brachten Speisen und tranken das Seyboth'sche Bier. Damals wurde von April bis Ende September ausgeschenkt. An regnerischen Tagen fanden die Gäste im Haus oder unter entsprechenden Lauben Unterschlupf. Der „Felsenkeller” gehörte 1830 zu den Hauptsehenswürdigkeiten Schwabachs. So ist er auf einem Sammelbild mit elf Schwabacher Ansichten zu sehen, welches der Nürnberger Zeichner und Kupfer- stecher Georg ChristophWilder anfer- tigte. Ein Beweis dafür, welchen Stellenwert dieser Erholungsort damals in Schwabach genoss! Auch eine Kegelbahn gab es damals bereits. An warmen Tagen kann es vorkom- men, dass man keinen Außenplatz be- kommt. Blickt man vom Weiherwie- sengraben zum Felsenkeller, so spitzt nur das Dach heraus. Rings herum ist das Gasthaus von üppigem Grün um- geben, das Biotopcharakter besitzt. Schon allein deshalb ist eine Erhaltung dieser historischen Stätte geboten! Zudem dürfte der einstige Keller hei- mischen Fledermausarten als Winter- quartier dienen! Auch dies spricht für eine Erhaltung und eine behutsame Restaurierung des Gebäudes. Vielleicht könnte man ja die Lokalität auch nur während der warmen Jahres- zeit für die Schwabacher öffnen, so wie ehedem zu Beginn. All das sollte gründlich überlegt werden, bevor man zur Spitzhacke greift! Ulrich Distler < 44 Heimat Brauchtum G ’ schicht ’ n „Seybothischer Felsenkeller”, Kupferstich von Georg ChristophWilder, 1830. Rechts im Bild ist die Rittersbacher Straße zu erkennen. Ganz links erkennt man die an das Schankhaus angebaute Kegelbahn. Sammlung Hans Schmitt Ansicht der Anlage mit den landwirtschaftlichen Gebäuden vom Weiherwiesengraben aus. Foto von 1936, Sammlung Hans Schmitt). Bis zum Jahr 1968 war die Gaststätte Eigentum der Familie Fleischmann. Danach erwarb sie die Brauerei Weller. Damals wurde die alte Kegelbahn durch eine vollautomatische ersetzt. Sie ist bis heute noch in Betrieb. Nach wie vor ist der „Felsen- keller” mit seinemaußergewöhnlich reichen Baumbestand ein belieb- ter Treffpunkt der Schwabacher Bevölkerung. Seit 1981 kannman im schattigen Wirtshausgarten griechische Spezialitäten genießen. Leserbeitrag

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