meier Magazin - April 2021 / 22. Jhg.

38 Tourismusverband Franken e.V. Schalom Franken – Begegnungen mit der jüdischen Kultur Fürth, Würzburg, Bamberg, Bayreuth, Hof, Nürnberg und Erlangen – in diesen fränkischen Städten gibt es heute wieder Israelitische Kultusgemeinden. Jede von ihnen führt die Geschichte der fränkischen Juden fort, die vor über einem Jahr- tausend in Franken begonnen hat. Mit Ausstellungen, Führungen und Festivals lädt das Urlaubsland dazu sein, in diese jüdische Kultur einzutauchen. 2021 steht im Zeichen des Jubiläums „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Der Grund dafür führt nach Köln: Im Jahr 321 bestimmte der römische Kaiser Konstantin, dass auch Juden öffentliche Ämter ausüben durften. Bis das jüdische Leben im heutigen Franken ankam, dauerte es allerdings noch ein paar Jahrhunderte. Doch auch hier waren es die Städte, in denen sich erste jüdische Gemeinden bildeten, darunter Würzburg, Ansbach, Bamberg, Nürnberg oder Aschaffenburg. In vielen von ihnen erreichte die jüdische Kultur eine erste Blütezeit: In Rothen- burg ob der Tauber zum Beispiel genoss Rabbiner Meir ben Baruch (ca. 1215 bis 1293) als Gelehrter einen hervorragenden Ruf in ganz Mitteleuropa. Ein Wendepunkt im Zusammenleben von Juden und Christen stellte das Jahr 1215 dar, als Christen von kirchlicher Seite alle Zinsgeschäfte verboten wurden. In der Folge wurde der Geldverleih neben demHandel nun zu einer der jüdischen Haupterwerbsquellen – auch, weil sie keinen wirtschaftlich nutzbaren Grundbesitz erwerben durften und ihnen die Mitgliedschaft in den Handwerkszünften verwehrt blieb. Ihr Geldverleih wurde von den Christen gerne in Anspruch genommen. Doch damit wurde auch die Stimmung gegen die Juden immer aggressiver – unter anderembefeuert durch das Gerücht, dass Juden für die Pest verantwort- lich wären. Das führte auch in Franken zu verheerenden Pogromen mit zahlreichen Todesopfern und letztendlich zur Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus den fränkischen Städten. Von Frankens Städten aufs Land Die Juden wurden in der Folge von fränkischen Markgrafen, Reichsrittern oder dem Deutschen Orden aufgenommen und durften auf deren Gebiet siedeln – was sich die jeweiligen Herrscher auch teuer bezahlen ließen. Mit Ausnahme von Fürth fand das jüdische Leben in Franken nun bis ins 19. Jahrhundert auf dem Land statt, wo zahlreiche jüdische Gemeinden entstanden. Die Situation änderte sich, nachdem Franken 1806 ein Teil des König- reichs Bayern geworden war. So ermöglichte das Judenedikt von 1813 der jüdischen Bevölkerung unter anderem den Erwerb von Grund und Boden, den Zugang zu Universitäten und die Ausübung nahezu aller Berufe. Gleichzeitig beinhaltete es aber auch eine Matrikelpflicht, die die Anzahl jüdischer Familien an einem Ort begrenzte. In der Folge setzte eine große Auswanderungswelle ein, die die Zahl der jüdischen Bevöl- kerung in Franken stark dezimierte. Vor allem Amerika war das Ziel der Emigranten – einer von ihnen war Levi Strauss aus Buttenheim, der in seiner neuen Heimat als Erfinder der Jeans eine tragbare Legende er- schaffen sollte. Motor der Industrialisierung Die Landflucht hatte jedoch noch einen anderen Grund. Angezogen vom industriellen und wirtschaftlichen Potenzial sowie dem Bildungs- und Kulturangebot zogen viele jüdische Familien in die fränkischen Städte, die ihnen seit Mitte des 19. Jahrhunderts wieder offenstanden. Schon bald bildeten sie einen bedeutenden Teil des fränkischen Bürgertums, begünstigt auch durch die 1871 erfolgte komplette rechtliche Gleichstel- lung. Die neuen Stadtbewohner gründeten Industriebetriebe und Handelsfirmen, gingen in die Politik, arbeiteten als Juristen oder Ärzte oder förderten das öffentliche und kulturelle Leben ihrer Stadt. Besonders deutlich zeigte sich dies in Nürnberg sowie in Fürth, der damals bedeutendsten und größten jüdischen Stadtgemeinde in Bayern: Deren wohlhabende Mitglieder bedachten die Stadt mit bedeutenden Stiftungen – vom Wöchnerinnen- und Säuglingsstift über die Kinder- krippe bis zum Haus für die Volksbildung. Nationalsozialismus und Neuanfang Mit dem Erfolg der jüdischen Bevölkerung nahm jedoch auch der Anti- semitismus zu, verstärkt von den Auswirkungen des Ersten Weltkriegs. Je mächtiger die Nationalsozialisten wurden, umso mehr Gefahr bestand für die jüdische Bevölkerung: Die Nationalsozialisten wollten ihre vollkommene Vernichtung – Ausgrenzungen, Misshandlungen und die Deportationen in die Konzentrationslager löschten 1.000 Jahre jüdische Kultur in Franken fast vollkommen aus. Nur wenige fränkische Juden überlebten und kehrten nach Kriegsende zurück, zusammen mit einer großen Zahl an osteuropäischen Juden. Nach einer Übergangszeit in Camps für„Displaced Persons“ wanderten viele von ihnen in die USA aus, andere wählten den 1948 gegründeten Staat Israel als Ort für ihren Neu- anfang. Diejenigen, die blieben, ließen das jüdische Leben in Franken wieder erstehen – mit Neugründungen der Israelitischen Kultusgemein- den in Fürth, Nürnberg, Würzburg, Bamberg, Bayreuth und Hof. In den 1990er Jahren erhielten diese Gemeinden zudem beträchtlichen Zuwachs von Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, so dass sich in Erlangen eine weitere Gemeinde gründete. Einladung in die Synagoge Diese Städte bieten sich deshalb auch an, um das fränkische Judentum kennenzulernen – zum Beispiel bei Führungen durch die Synagogen der dortigen Israelitischen Kultusgemeinden. Zu ihnen gehört auch die erst kürzlich renovierte Bayreuther Barocksynagoge. Eine Stadtführung bringt die Teilnehmer zudem zu verschiedenen Stätten jüdischer Geschichte und Gegenwart und informiert gleichzeitig über das derzeit entstehende jüdische Kultur- und Gemeindezentrum. www.bayreuth-tourismus.de In Würzburg führt der Weg ins jüdische Gemeinde- und Kulturzentrum „Shalom Europa”: Das gleichnamige Museumbeantwortet grundlegende Fragen zum Judentum und erklärt seine Riten, Feste und Traditionen. www.museumshalomeuropa.de Hohe Feste und Alltagskultur „Jüdisches Leben in Bamberg“ ist die Ausstellung im Historischen Museum Bamberg überschrieben, das anhand von Quellen, Zeitzeugen- berichten sowie zahlreichen Kunst- und Alltagsgegenständen vom jüdischen Leben in der UNESCO-Welterbestadt erzählt. Den gleichenTitel trägt eine Stadtführung, die Einblick in diese wechselvolle Geschichte des Zusammenlebens von Juden und Christen und die heutige Situation der Israelitischen Kultusgemeinde aufzeigt. museum.bamberg.de , www.bamberg.info Fürths herausragender Stellung im fränkischen Judentum trägt neben zahlreichen Führungen das „Jüdische Museum Franken“ Rechnung. Das Haus verfügt auch über Außenstellen in Schwabach und Schnaittach und schlägt damit eine Brücke zu jüdischen Landkultur. www.juedisches-museum.org Dieser widmen sich im Urlaubsland noch zahlreiche weitere Museen – vom Dokumentationszentrum„Familiengeschichten – Jüdisches Leben in Colmberg“ übers Fränkische Schweiz-Museum in Tüchersfeld bis zum Fränkischen Freilandmuseum BadWindsheim, in dem derzeit eine Land- synagoge aus dem 18. Jahrhundert wiederaufgebaut wird. Mit dem RothenburgMuseum in Rothenburg ob der Tauber, dem Museum jüdi- scher Geschichte und Kultur in Aschaffenburg, dem Jüdischen Museum in Creglingen oder dem Grafschaftsmuseum in Wertheim ergibt sich so ein breitgefächertes Bild vom jüdischen Leben in Franken. Heimat Brauchtum G ’ schicht ’ n

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